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Speicherer Töpfereien unter römischer Herrschaft


Als Kaiser Augustus das Werk Julius Cäsar zu vollenden suchte und die Stadt Trier zum "Colonia Augusta Treverorum", als Verwaltungszentrum der neu eroberten germanischen Provinzen erklärte, änderte dies zunächst kaum das Leben der spärlichen Bevölkerung im Speicherer Wald und Umgebung. Von den Waldlichtungen beobachtete man immer häufiger - zwar mit Misstrauen und doch mit etwas Neugierde - die Disziplin und Manövrierfähigkeit der multinational gebildeten, einheitlich mit Staub und Schweiß bedeckten römischen Legion. Möglicherweise sympathisierte man zu Beginn mit den zahlreichen "treverer Aufständigen" die hin und wieder und zuletzt 70 n. Chr. die Legionäre Roms abseits der kaiserlichen Fernverkehrstrecke Trier/Köln zu Vergeltungsplünderungen zwangen.

Zum Glück war in Speicher zu dieser Zeit außer Ton nichts zu holen. Ton, insbesondere guter, weißer Ton klebte seit eh und je unter den Füßen. Wasser und Holz als Brennstoff waren ebenfalls in greifbarer Nähe vorhanden. Alle diese hervorragenden Voraussetzungen für Töpfereibetätigung könnten nicht unbemerkt geblieben sein. Grabfunde aus der Eisenzeit bis zu 300 v. Chr. stammend, bestätigen, daß es in Vorrömerzeit bereits eine, teilweise recht elegant geartete Töpfertätigkeit in dieser Gegend gegeben haben muss. Solche Funde werden leider selten zu Tage gefördert da diese Grabstellen in jüngeren Zeiten öfters wiederverwendet und somit deren ältere Inhalte zerstört worden sind.

Erst die zunehmende Nachfrage nach Haushaltsgeschirr der wachsenden "civitas Treverorum", im zweiten und dritten Jahrhundert nach Christus, unter der Herrschaft größerer Kaiser wie Vespasian, Trajan, Hadrian, Septimus Severus, Diocletian, Konstantin, brachte die Töpfertätigkeit der gesamten Gegend in Schwung.

Trier wandelte sich nicht nur vom gut situierten Militärstützpunkt zum Verwaltungszentrum, es war nun auch die zentrale Steuereinnahmestelle der belgischen und beider germanischen Provinzen: Münzprägestelle und Militärkommandantur zugleich. Zeitweise Kaiserresidenz, wurde Trier das "Rom des Nordens" genannt. Römisches "Management" erforderte für eine solche Stellung viele verantwortungsbewusste Würdenträger, mit prunkvollen Stadt- und Landvillen, sowie angemessenem Lebensstil. Das heißt: Klientenscharen, Funktionärenapparat, Dienerschaft, Sklaven usw. In Zahlen ausgedrückt hatte Trier 50 000 bis 60 000 Einwohner (fast die gleiche Stadtbevölkerung wie heute!).

Die am Südrand der Stadt gelegenen Töpfereien waren längst nicht mehr in der Lage, einen derartig großen Bedarf zu stillen und hatten, unter anderem wegen erhöhter Rohstoffbeschaffungskosten, sich auf hochwertige, hochpreisige Erzeugnisse spezialisiert: Kopien der italienischen Modeartikel (Terra Sigillata mit aufwendigen Halbreliefs-Dekor, Terra Nigra und Terra Rubra). Das tagtägliche Massengeschirr für Koch und Küche musste kostengünstig im "Billig-Lohn-Umland" produziert werden.

Der Absatz für Speicher war somit gesichert! Reste von etwa 100 Töpferöfen aus dem zweiten, dritten und vierten Jahrhundert nach Christus sind in enger Speicherer Umgebung bis jetzt geortet und verzeichnet worden. Man kann sich vorstellen, daß fast jeden Tag schwer beladene Gespanne von Speicher sich den Berg runter schlingen, um auf die Straße Trier/Koblenz zu stoßen, an der fünften römischen Meile (heutige "Quint"), auf ihrem Weg zur den Märkten in der Stadt oder zum Versandhafen am Moselufer. Damit unterwegs nicht allzuviel zu Scherben ging, waren die Modelle, verglichen mit dem, was zur gleichen Zeit aus Glas hergestellt worden ist, meistens recht derb. Die Langlebigkeit im intensiven Küchenbetrieb war sowieso Hauptanforderung!

Trotz stabiler Aufmachung überraschen uns die römische Erzeugnisse durch ihr elegantes Aussehen. Tafelgeschirr, Krüge, Schalen, Trink-und Essbecher sind auf schmalem Fuß förmlich empor gehoben. Hierdurch entsteht eine, als Kontrapunkt zur bauchigen Ausbreitung scheinbare Instabilität, die den zum Herumreichen gedachten Utensilien die erforderliche Grazie verleiht.
Schwer ist, sich heute vorzustellen, wofür Keramik im römischen Haushalt gebraucht worden war. Sogar Sparbüchsen, Opferbüchse für den Hausaltar, waren liebevoll geformt.

Die ergiebigste Mahlzeit der Römer, Treffpunkt der gesamten Familie, war das Abendmahl, bekannterweise liegend zu sich genommen, ohne Essbesteck. Der schmale Fuß der kleinen Ess- und Trinkgefässe ermöglichte einen sicheren Halt zwischen Zeigefinger und den restlichen Fingern einer offenen Hand. Mit der anderen Hand wurde gegessen, bzw. bereits in der Küche zurecht geschnittene feste Nahrungsmittelstücke in zahlreiche sauceartige Zubereitungen "getunkt".

Den Henkel benutzte man, um das Gefäß, trotz fettiger Finger, sicher auf den Beistelltischen oder auf den, von Sklaven herumgereichten Serviertabletts abzulegen. Das Essen wurde in regelmäßigen Abständen von Handwaschungen, in eigens dafür gerichteten und herumgereichten Schalen, unterbrochen.

Bei den größeren Lagerungsgefässen für Vorräte überraschen uns wiederum, trotz massiver Erscheinungen, die aufwendig angebrachten Henkel, bis zu vier Stück pro Topf, die zum Aufhängen des Gefäßes außerhalb der Reichweite kriechender Schädlinge oder zum festen Verschließen mittels mit Seilen verzurrter Stopfen gedacht waren. Im Angebot für die römische Herdplatte waren Kochtöpfe mit eng angepassten, dicht verschliessenden, oder mit Dampfaustrittsloch versehenen Knaufdeckeln in verschiedenen Formaten. Weiterhin waren flache Schüsseln mit Ausgussschnabel für die Saucenzubereitung zu haben. Reibeschüsseln, mit Innenbeschichtung aus eingestreutem groben Quarzsand, in diverser Körnung als Reibfläche, stellten den Mixer der Antike dar.

In der Regel sind römische Töpferei-Erzeugnisse nicht über 900°C gebrannt worden, so daß eine Dichtigkeit der keramischen Masse nicht erreicht wurde. Eine Innenbeschichtung aus organischen Harzen oder dgl. zur Abdichtung wurde wahrscheinlich angewendet. Einige Trinkgefässe sind aber bewusst höher und somit dicht gebrannt worden. Hier war aber zur Verhinderung von Verschmelzung der Teile im Ofen eine Grobschamottierung der Masse zugegeben. Diese bereits hoch entwickelte Technik ist an "körniger" und dunklen Oberfläche erkennbar.
Im Laufe der Zeit stand die Speicherer Produktion immer wieder im Wettbewerb mit anderen, insbesondere südlichen und belgischen Produktionsstätten. Da, wie es scheint, Terra Sigillata im Produktionsprogramm nicht aufgenommen werden konnte, sind interessante Alternativen, gar Nachahmungsversuche hier entwickelt worden. Die sogenannte "Marmorierte Ware" zielte in der Tat eindeutig auf eine kostengünstige Veredelung von Massenartikeln. Auch hier ist eine rote Engobe (Aufschlämmung eisenhaltiger Tone) in einem schnellen Arbeitsgang mit Schwamm oder nassen Tüchern aufgetragen worden. Möglicherweise ist aus einer, im römischen Reich beliebten Dekorationsmethode, das bis jetzt nur in Speicherer Herstellungsstätten belegte "Rot geflammte" Dekor entstanden. Statt mit Schwamm und Tuch wurde das Dekor noch schneller aufgerollt! Verschiedenartigste Lamellenrollen ergeben ein geschwungenes, fast horizontales Schraffurmuster, welches mit schwungvollen senkrechten Pinselstrichen gekonnt eingerahmt wird.
Wer waren diese Töpfer, die wir sogar mit Namen, durch ihren eigenen Stempel oder Ritzereien am Topffuss oder Rand kennen? Etwa Mitglieder der römischen Legion, wie es für manche Ziegeleien belegt ist? Wir befinden uns in der Tat innerhalb der "Langmauer", der einmaligen 52 km langen Umzäunung eines kaiserlichen Besitztums, dessen Zentrum sehr wahrscheinlich die prunkvolle Villa von Welschbillig war. Der Klang echter Römer: PRIMANUS, QUINTUS, MARIANNUS, JUSTINUS, SATTO, wahrscheinlich eher Franken, oder gar Germanen. Einige von ihnen haben in Speicher gewirkt und sind, wie der zuletzt genannte, in Trier erfolgreich geworden.
Die Romanisierung Speichers war zwar vollendet. Die Nachrichten, die von den "Negotiatoren" (Keramikhändlern) im Ort verbreitet wurden, aber nicht erfreulich. Die Legion war bei weitem nicht mehr so erfolgreich wie früher. Der Limes war längst gefallen und der Rhein allein konnte dem Drang der germanischen Völker nicht mehr ewig standhalten.
Die Fundorte der hier gezeigte Exponate sind viererlei:

  1. aus den infolge Germanen, Allemannen, bzw. Frankischen Überfälle fluchtartig verlassenen Öfen. Hier kann die Ware überbrannt sein
  2. aus den infolge Produktionfehlern als unverkäuflich geachtetem und von den "Tonstechern" für Privatenzweck verwandten und in der Tongruben liegengelassenen Gefäße. Diese eher seltenen Fälle lassen auf die römische Nutzung der betroffenen Tongrube sicher schließen.
  3. aus den Villen und städtischen Ausgrabungen.
  4. aus den Grabbeigaben bis zu Christianisierung um 250 n. Chr.

Außer all diesen, auf der Töpferscheibe hergestellten Gefäßen, begegnen wir auch bei mehreren größeren Öfen einer Spezialisierung auf bautechnische Tonerzeugnisse, wie Backsteine, starke Tonplatten als Stürze für Hypokausten Heizanlagen und deren rechteckige Wandwarmluftleitungen (Tubuli), Wasserleitungs-Rohre, Dachpfannen und Bodenplatten. Auch Schmelztiegel für die Metallindustrie sind aus dem hochtemperatur-beständigen Speicherer Ton hergestellt worden. Den Spuren nach könnte sogar am gleichen Ort, womöglich in den gleichen Werkstätten, auch Metallurgie praktiziert worden sein. (aa)

Literatur



  • Becker, Karl E.: Speicher - Raum und Teit, Speicher 1981
  • Binsfeld, W: Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern, Band 32, Mainz 1977
  • Heinen, H: Trier und das Trevererland in römischer Zeit, Trier 1985
  • Loeschcke, Siegfried: Tonindustrie von Speicher und Umbebung: Sonderdruck aus "Trierischen Heimatblättern", Trier 1923